Der bundesdeutsche Karl-May-Film, die Italo-Western und auch die DEFA-Indianerfilme haben das Genre des Western seit den 1960er Jahren gesprengt, erweitert und wiederbelebt. Ihre Stoßrichtung war eine andere als im Hollywood-Western. Es ging weniger um den Mythos des Wilden Westens als um ein Kino der Attraktionen. Klar, viele Italo-Western und natürlich die DEFA-Indianerfilme waren auch politisch. Doch ist die Abkehr weg von der mythischen Erzählung hin zum Spektakel unübersehbar. Karl-May-Filme sind naiv, Italo-Western exzessiv und die DEFA hat eher Abenteuer- als antikapitalistische Indianerfilme gedreht. Es war ein betont populäres Kino, ein Kino, dem man sich nur schwer entziehen konnte, sei es „Der Schatz im Silbersee“ (1962), von dem sogar in Hollywood gesagt, die deutschen könnten Western drehen, der erste der DEFA-Indianerfilme „Die Söhne der großen Bärin“ (1966) oder die vor allem späteren komödiantischen Italo-Western mit Bud Spencer und Terence Hill. Der Vortrag versucht Filme aus diesem Spektrum angereichert durch eine erweiterte Perspektive auf das internationale Kino als Guilty Pleasures in den Blick zu nehmen.
PD Dr. Thomas Klein ist promovierter Film- und habilitierter Medienwissenschaftler und hat zahlreiche Artikel und Bücher zum Western publiziert. Von 2010-2013 leitete er das DFG-Projekt „Western global“ an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz. Er ist Lehrbeauftragter für Medien und Film in Theorie und Praxis an mehreren Hochschulen und arbeitet freiberuflich als Green Consultant für Film & TV, Filmkritiker und in der Medienbildung sowie Bildung für nachhaltige Entwicklung.
Über die CineScience-Reihe „Schund und Vergügen“
Schon in den Jahren seiner Entstehung hatte das Kino als Kunstform keinerlei Berührungsängste mit unbeschwerter Unterhaltung. Die ersten Filmvorführungen fanden auf Jahrmärkten stand – da durfte es schon mal klamaukig, deftig oder schlüpfrig zugehen. Daher war es kein Zufall, sondern nur historisch folgerichtig, dass auch das geflügelte Wort von den Guilty Pleasures, denen sich das KWI im Rahmen seines Jahresthemas 2024/25 verschrieben hat, dem Universum der Lichtspielhäuser entstammt. In der Zeitschrift Film Comment bekannten sich Autoren, Kritiker und Regisseure in der gleichnamigen Rubrik stolz zu Streifen, über die andere gern die Nase rümpften. Die Reihe CineScience: Schund und Vergnügen will dem in nichts nachstehen und läutet das Ende der Scham ein. So kommen Fans der Winnetou-Verfilmungen bei uns genauso zu ihrem Recht wie jene, die jedes Jahr aufs Neue den immer gleichen Weihnachtsfilmen entgegenfiebern oder vom Slapstick eines Louis de Funès nicht genug kriegen können. Nichts ist peinlich, und wenn Männer auf der Leinwand in Tränen ausbrechen, ist das für uns nur ein Grund mehr, genauer hinzusehen. Denn ist der schnöde Hochkulturanspruch erst einmal revidiert, sitzt es sich im Kino endlich wieder ungeniert.